Ein Blick hinter Mauern und Stacheldraht

Am 22.05.2017 ging für angehende RechtsanwaltsgehilfInnen das große Stahltor an der Vollzugsanstalt Rottenburg auf, um mit ihren Klassenlehrerinnen Frau Stipp und Frau Lutz in Begleitung der Schulsozialarbeiterin Frau Killinger einen Blick hinter die Mauern einer großen Haftanstalt wagen zu können. Dass es gar nicht so einfach ist, als Besucher hineinzukommen wurde an den verschiedenen Formalitäten, die zuvor abgearbeitet werden mussten, ersichtlich. Handys und Ausweise wurden einbehalten und alle Besucher in der sogenannten Torwache in ein großes Buch eingetragen, von wo aus die Überwachung gesteuert wird.

Wir erfuhren, dass die Haftanstalt mit 500 Gefangenen nahezu am Rande der Aufnahmekapazität angelangt ist und die 200 Bediensteten alle Hände voll zu tun haben. Im ersten mehrgeschossigen historischen Haftgebäude des sogenannten Regelvollzuges wurden wir in den Ablauf eines Hafttages eingeweiht. Um 6 Uhr wird geweckt und kontrolliert, ob alle da und ansprechbar sind. Gearbeitet wird von 6.50 bis 15.10 Uhr, dazwischen gibt’s Mittagessen, eine Stunde Pause auf der Zelle und nach der Arbeit eine Stunde Hofgang. Von 17.00 bis 19.45 Uhr ist Freizeit, so dass die Zellen auf dem jeweiligen Stockwerk auf sind und die Gefangenen untereinander Kontakt haben können. Aufgrund des großen Gebäudes mit mehreren Stockwerken kann das nur im Wechsel, also alle zwei Tage stattfinden, ansonsten sind die Zellen verschlossen. Im ziemlich kleinen Haftraum, spartanisch ausgestattet mit Bett und Schrank, gibt es eine Toilette und ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Auf dem Stockwerk gibt’s Gemeinschaftsduschen, die in der Regel alle zwei Tage benutzt werden dürfen. Die Gefangenen dürfen rauchen, aber keinen Alkohol zu sich nehmen. Da man in Strafhaft arbeiten muss verfügen sie auch über ein kleines Einkommen. Hiervon können sie zweimal im Monat am Einkauf teilnehmen. Dafür gibt es Listen, was an Dingen des täglichen Lebens erlaubt sind, die dann bestellt werden und durch einen Anbieter in das Gefängnis geliefert werden. Ein Teil des Geldes wird für das sogenannte Übergangsgeld angespart. Der Stundenlohn variiert je nach Tätigkeit (Küche, Gärtnerei oder Werkstatt) zwischen 1,30 und 2,50 Euro. Die Gefangen dürfen mit Telefonkarten an einem Stockwerkstelefon mit ihren Angehörigen telefonieren. Bis zu 8 Telefonnummern, die zuvor überprüft werden, sind erlaubt. Die Gefangenen dürfen 4 Stunden Besuch im Monat haben und Briefe schreiben. Die Briefe werden kontrolliert, ob sich verbotene Dinge darin befinden, der Text werde nicht gelesen.

Besonders bedrückend war die Besichtigung des BGH, kein Bundesgerichtshof, wie es den meisten zuerst in den Sinn kommt, sondern der sogenannte „besonders gesicherte Haftraum“. Eine Zelle mit abgerundeten Ecken ohne Möbel, lediglich mit einer Stehtoilette und einer Matratze auf dem Boden ausgestattet. Hier werden kurzzeitig Gefangene untergebracht, die eine Gefahr für sich oder andere darstellen. Sie tragen eine besondere, reißfeste Kleidung und stehen unter mindestens stündlicher Beobachtung bis die Anordnung nach höchstens drei Tagen beendet wird. In diesem Jahr sei das 16 Mal notwendig gewesen und meistens nach einer Nacht aufgehoben worden. Ob wegen der warmen Temperatur oder der bedrückenden Atmosphäre wird das Bedürfnis groß, den Raum schnell wieder zu verlassen und an die frische Luft zu kommen.

Ein weiteres Haftgebäude wirkt wie ein normales Haus mit Zimmern, ähnlich einer Jugendherberge. Die Gefangenen haben eigene Schlüssel zu ihrem Haftraum und können sich zumindest auf ihrem Stockwerk frei bewegen. Die meisten arbeiten in der haftinternen Küche oder der Bäckerei. Es gibt auch eine Küche auf dem Stockwerk, in der gekocht und gebacken werden darf, was häufige Anwendung finde, vorallem an den Wochenenden.

Es gibt Freizeitgruppen, an welchen die Gefangenen auf Antrag und wenn ein Platz frei ist, teilnehmen können, so z.B. Volleyball, Fußball, Basketball, Tischtennis, Sprachkurs, Malen, Aquarium, Bienen, Musik, Hunde u.a.

Zum Schluß hatten wir die Gelegenheit, mit einem Gefangen ins Gespräch zu kommen. Max (Name geändert) ist 38 Jahre alt und befindet sich seit zwei Jahren wegen Computerbetrugs in Haft. Er hat einen dreijährigen Sohn, welchen er im Rahmen eines „Vater-Kind-Projektes“ der Haftanstalt mit Zusatzbesuchszeit am Wochenende sehen kann. Hierfür wird ein Besuchsraum mit Spielsachen ausgestattet und für die kleinen Besucher, so gut es in diesem Rahmen geht, gastfreundlich gestaltet. Max ist verheiratet und freut sich immer sehr, seine Frau und seinen Sohn sehen zu können, ein Grund warum er sich nach Rottenburg hat verlegen lassen. Da er schon einige Zeit seiner Haft verbüßt hat und gut mitarbeitet hat er Lockerungen, wie z.B. Ausgänge oder sogar demnächst ein paar Urlaubstage bei seiner Familie. Am meisten vermisse er in der Haft, wie könnte es anders sein, die Freiheit, „das dann zu tun, wann du es willst“. Kind und Frau vermisse er auch…und, wer hätte es gedacht: „Fleisch“. Das Essen „im Knast“ sei okay, aber ihm sei es immer zu wenig Fleisch. Auf die Frage, ob er sich in der Haft verändert habe erhalte er von seiner Frau eine positive Rückmeldung. Er selbst könne es nicht beurteilen. Auf eigene Initiative nehme er Gespräche bei einem Psychotherapeuten wahr und arbeite seine Vergangenheit auf. Ob einen die Haft verändert wurde er gefragt, was er verneinte. Die Haft alleine sei es nicht, dazu müsse sich schon jeder selbst entscheiden. Er habe die Entscheidung für sich längst getroffen und stelle Pläne für seine zukünftige Berufstätigkeit und sein Familienleben an.

Voll von Eindrücken und interessanten Informationen wurden wir von einem jungen Vollzugsbeamten wieder vor die Tore begleitet, der, wie er zu unserem großen Erstaunen erklärte, bis vor kurzem Schüler unserer Schule war und nach einer erfolgreichen Ausbildung zum Industriekaufmann nun eine Zusatzausbildung zum Vollzugsbeamten macht, was ihm gut gefalle, da es spannend und abwechslungsreich sei.

 

Edith Killinger

Schulsozialarbeit

29.05.2017