Was hat das mit mir zu tun? – der Gegenwartsbezug

Stephanie Hamann vom Arbeitskreis Leben (AKL), der ehrenamtliche Krisenbegleiter Wolfgang Himmel und die Peer-Beraterin Sophia Schmidt von Youth-Life-Line (YLL) trafen an der Wilhelm-Schickard-Schule die Schüler*innen der Abschlussklassen des Wirtschaftsgymnasiums. Die hatten schließlich alle im Deutschunterricht den „Steppenwolf“ von Hesse, den „Faust I“ von Goethe und den „Goldnen Topf“ von E.T.A. Hoffmann gelesen. In allen drei Pflichtlektüren steht die schwere Lebenskrise der Hauptfigur im Zentrum. Alle drei Protagonisten erwägen ernsthaft, sich das Leben zu nehmen. Wie werden wir dieser Thematik gerecht, welchen Bezug hat dies zum Leben der Schüler*innen, fragten sich die vier unterrichtenden Deutschlehrer*innen, allen voran Federico Sirna. Dieser stellte den Kontakt zum AKL her und plante die Workshops zusammen mit Stephanie Hamann. „Uns ist wichtig, dass ihr mit Lebenskrisen umgehen könnt. Dafür haben wir die Experten eingeladen“, eröffnete Sirna den zweistündigen Workshop für die 40 Schüler*innen aus zwei Kursen. Eine Woche später werden zwei weitere Oberstufen-Kurse den Workshop besuchen.

Im Unterricht hatten die Schüler*innen sich auf den zweistündigen Workshop vorbereitet und Fragen zum Thema formuliert. So auch die Frage, ob Stephanie Hamann selber schon einmal über Selbstmord nachgedacht habe. „Es ist gar nicht so unnormal, über Suizid nachzudenken“, begegnete Hamann der Frage unaufgeregt, damit sei man noch nicht suizid-gefährdet. „Wenn sich die Gedanken nicht mehr steuern lassen, wenn sie sich aufdrängen, einen gefangen nehmen“, dann sei es alarmierend.

In Kleingruppen tauschten sich die Schüler*innen zunächst über Aussagen zum Thema Selbstmord aus, diskutierten, ob diese richtig oder falsch waren. Im Plenum wurden die Ergebnisse zusammengetragen und abschließend von Hamann mit Zahlen und Fakten belegt. Zum Beispiel, dass sich mehr Männer als Frauen das Leben nehmen würden, weil Frauen eher darüber reden würden. Danach entspann sich auf der Grundlage der im Vorfeld eingereichten Fragen eine rege Unterhaltung, bei der die Schüler*innen sehr interessiert waren und entsprechend Informationen einforderten. Wie verhalte ich mich, wenn mir jemand mitteilt, dass er darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen? Hilft zuhören denn wirklich? „Reden ist das, was am allermeisten hilft“, stellt Hamann nachdrücklich klar, weil man damit zeige, dass man sich Zeit nimmt, dass man die Probleme des anderen wirklich ernst nimmt. Und sie sagt auch, wie schwer genau das ist. Es auszuhalten, nicht mehr tun zu können, als zuzuhören, den anderen zu ermuntern, darüber zu sprechen. Wie nah die Schüler*innen an der Thematik sind, wird auch an der Frage deutlich, wie Stephanie Hamann die Netflix-Serie „13 Reasons Why“ beurteile, in der es um den Selbstmord einer Schülerin geht, die nach ihrem Tod Mitschüler mit ihrer Mitschuld konfrontiert. Dass ein gesellschaftliches Problem kommunizierbar gemacht wird, dass seine Tabuisierung aufgehoben wird, findet die therapeutische Fachkraft Hamann positiv.

Hamann stellt die Face-to-Face-Beratung des AKL vor, die Peer-Beraterin Sophia Schmidt informiert über die Online-Plattform von Youth-Life-Line. Hier antworten ehrenamtliche junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren per E-Mail persönlich und anonym den jugendlichen Hilfesuchenden. Langfristig will die WSS mit dem Arbeitskreis Leben daraus ein wiederkehrendes Format entwickeln. „Es gibt unter unseren Schüler*innen viele, die mit Sorgen und Nöten zu tun haben, und denen wir damit ein Hilfsangebot vorstellen wollen. Wir denken daran, den AKL und YLL jährlich zu diesen Workshops schon für die Eingangsklassen einzuladen“, erklärt Sirna.